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Warum ist Aal so teuer? Nachgehakt!

Mittlerweile kostet ein 1kg Räucheraal knappe 50 Euro. In naher Zukunft vielleicht doppelt soviel, weil der Aal nach jahrzehntelanger Überfischung und Flussverbauung massiv vom Aussterben bedroht ist. Ein Fisch, der einst so verbreitet war, das mein Opa ihn für ein Päckchen Eier eintauschen konnte, ist kaum noch bezahlbar und liegt nun auf der Intensivstation. Die Gründe, warum Aal so teuer wurde und seine Uhr abläuft, sind eindeutig.

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Vom Massenfisch zum Pflegefall

In den achtziger Jahren war der Aal gefühlt noch ein Massenfisch bei mir an der Elbe und die Frage, warum Aal so teuer ist, stellte sich hier eigentlich niemand. War ja auch nicht notwendig, denn in einer Nacht mit ausreichend Tauwürmern im Gepäck konnte jeder Angler ein gutes Dutzend fangen. Die Räuchertonnen an den Tagen danach glühten heller als die Sterne an den Abenden zuvor, entlang der Kleingärten flatterten Räucherspäne im Sommerwind umher und jeder kam auf seine Kosten. Aalmangel war zu dieser Zeit so utopisch wie die Wiedervereinigung und wer nichts fing, war laut Opa ein Dummkopf.

Als ich meine erste Versuche als Aalangler 1998 startete, noch als junger Knirps mit vielleicht 5 Haaren am Sack, sah die Welt schon anders aus. Zwei Aale pro Nacht waren gut und tagelange Ansitze ohne Bisse keineswegs die Ausnahme. Die Aalglocken blieben mit jedem Jahr das ich älter wurde immer öfter stumm und der Räuchertonnenqualm über den Kleinengartenspaten versiegte zunehmend. Zeitgleich explodierten die Preise für Aale auf den Fischmärkten und es zeichnete sich ab, was in der Vergangenheit unmöglich schien.

Aal am Flussgrund
©Rostislav | Adobe Stock Aale waren einst Massenfische

Aal so teuer weil vom Aussterben bedroht

Der Aal stirbt tatsächlich aus und der geliebte Massenfisch ist zum seltenen und teurem Luxusgut geworden. Wie so oft werden wir über ein menschengemachtes Elend reden, das mit den Jahren das Aalkind immer tiefer in den Brunnen fallen ließ. Schubsend. Aufmerksamkeit erlangte der Aal in der breiten Öffentlichkeit eigentlich auch nur, weil die Preise durch die Decke gingen. Selbst jetzt ist nur wenigen bekannt, wie prekär seine Lage wirklich ist. Trotz Schutzmaßnahmen, die nach jahrelangem Ringen zumindest etwas an Fahrt aufgenommen haben und lange Zeit an den Glasaalfangnationen Frankreich und Spanien scheiterten.

Mit fatalen Folgen. Denn Aal wurde nur so teuer, weil die Aalmenge so stark abgenommen hat und eine nachhaltige Bewirtschaftung nachrangig ungewollt war. Der Katalysator dafür ist beim Aal dessen Lebensweise, weil er ein Wanderfisch ist, der vom Süßwasser ins Meer (Saragossasee) zieht und dafür eine Strecke von 5000km zurücklegt. Auf seinem Weg ins Meer hat er schon die ersten tödlichen Prüfsteine in den Flüssen zu bewältigen und der Rückweg sieht nicht besser aus. Ich bediene mich jetzt mal einer knallharten Sprache, aber es wird radikal kulinarischer und ökonomischer Genozid ausgeübt. Beides summiert sich und machte den Aal infolgedessen so teuer.

Wasserkraft tötet Wanderaale

Du musst dir das so vorstellen: die Reise beginnt für einen laichbereiten Aal im September über die Flüsse und sie kollidiert sofort mit Wasserkraftwerken. Vorallem ältere Anlagen sind ökologische Vernichtungsmaschinen mit unzureichenden Fischwechselsystemen (Fischtreppen, Turbinengitter), die bessere Splatterfilme als die meisten B-Movie Schmieden produzieren. Mir wird niemals in den Schädel gehen, wie Ingenieure solche Anlagen erstellen und Behörden diese Genehmigen konnten, weil Aale (oder Neunaugen) recht offensichtlich in den nur minimal gesicherten Turbinen lebendig zerhackt werden. Offensichtlich, da sich hinter den Turbinen Massengräber befinden.

Ironischerweise schließt das auch einige neuzeitliche und hochmoderne Wasserkraftwerke für grünen Strom nicht aus, wo blutrotes Wasser die moralische Überlegenheit der klimaneutralen Energieerzeugung eigentlich auf die Probe stellen müsste. Manche Aale kommen mit Glück zwar trotzdem durch, aber auch das ist nur ein kleiner Wehrmutstropfen, denn viele tragen schwerste Verletzungen davon. Von denen schaffen es viele dann wieder nicht bis zur Saragossasee, weil Schäden an Flossen, Rückenwirbeln oder allgemein am Bewegungsapparat dafür Sorge tragen, das Aale kaum noch schwimmen können und wesentlich mehr Energie aufwenden müssen.

Nun ist es beim Aal so, das er bei seiner Wanderung nicht mehr frisst, die Verdauungsorgane in Geschlechtsorgane umwandelt und ausschließlich von den Fettreserven abhängig ist. Diesen Proviant verbraucht er durch Verletzungen, die Genese jener und Behinderungen (durch Turbinen) jedoch so schnell, das er auf dem Weg faktisch verhungert. Der laichbereite Aal ist ein Marathonläufer, der seinen Magen mit dem Startpfiff abgibt, dem beide Beine abgehackt werden und momentan ist die Grundidee, das Angler erstmal keine fangen sollten. So verlagert die Politik das Problem, damit lukrative Wasserkraftwerke nicht demontiert werden müssen. Das ist nicht nur Grotesk, das ist wissentliche Verdummung und Aalvernichtung für Profite.

Im Rhein wird beispielsweise derzeit davon ausgegangen, das 50% der Wanderaale nur durch die 21 Wasserkraftwerke umkommen. Dort ist keine einzige Fischtreppe vorhanden und jeder Aal muss durch die Turbinen. Und nun stell dir vor, das selbst an Pissgräben in Hintertupfingen mittlerweile solche Wasserkraftwerke installiert sind. Warum der Aal vom Aussterben bedroht und so teuer geworden ist erscheint nur logisch. Das Verhalten von Energieversorgern, Umweltbehörden und Anhängseln nicht. Diese haben Wasserkraftwerke durchgebracht, die nachweislich die Aalbestände auslöschen und sind erst Jahrzehnte später auf die Idee gekommen, an Lösungen zu arbeiten. Dafür fehlen mir einfach die Worte.

Glasaalfischerei macht Aal so teuer

Das Massaker ist nicht beendet und geht weiter, nachdem der Aal nach kräftezehrenden 180 Tagen seinen Zielort erreicht hat, sich vermehrt und einen natürlichen Tod stirbt. Die neue Saat schlüpft, sieht wie ein durchsichtiges Weidenblatt aus, lässt sich mit der Strömung zur Küste treiben und entwickelt sich währenddessen zum Glasaal. Wie Knackenhohl die industrielle Fischerei sein kann wissen wir alle, dennoch schafft sie es, die Messlatte noch ein Stückchen höher zu setzen.

Denn die Aalbrut wird an den Flussmündungen nun direkt abgeschöpft und entweder sofort von Spaniern oder Franzosen gefressen oder für asiatische Konsumenten in Aalfarmen gesteckt. Ohne Rücksicht auf Verluste und mit der Konsequenz, das nach Jahrzehnten der ungebremsten Ausbeutung die Glasaalbestände um mehr als 99% schrumpften. Die Nachfrage ist jedoch dermaßen hoch, das ein Kilogramm Glasaal mittlerweile 5000€ aufwärts kostet und sich Schwarzmärkte etabliert haben. Das Handelsvolumen vom illegalen Aalschmuggel ist dermaßen lukrativ, das sich ein Milliardengeschäft darum entwickelte und an pazifischen Flussmündungen illegale Fangfloten aus Kleinbooten zum Brandbeschleuniger dafür geworden sind, das der Europäische Aal noch schneller ausstirbt, weil nicht mal mehr sein Nachwuchs verschont wird. Wie bescheuert kann man eigentlich sein?

Aalzucht bisher nicht erfolgreich

Bisher sind leider auch die Bemühungen gescheitert, Aale zu züchten und so die natürlichen Bestände zu schonen, respektive die Preise auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Forschern ist es zwar gelungen, Aale durch fortpflanzungsauslösende Hormone zur Eiablage und Laichbefruchtung zu führen, das ist aber nur das kleinste Problem. Es scheitert vielmehr daran, die Haltungsbedingungen so zu simulieren wie sie die Aallarven benötigen, das schließt die Wanderung und Entwicklungsschritte von der Weideblattlarve über den Glasaal hin zum Jungaal ein.

Die Kernfaktoren sind dahingehend noch nicht einmal klar, da selbst die richtigen Wassertemperaturen, Strömungsstärken, Nahrungsgewohnheiten, der Wasserdruck und Salzgehalt weitestgehend unbekannt sind. Es gibt Eckdaten + drölfzigtausend weitere Einflussgrößen, die eine so erhebliche Rolle spielen, das es bisher unmöglich war, in der Aalzucht über das anfängliche Weidenblattstadium hinauszukommen. Und das wäre bitter nötig, denn mit der Zucht könnten die Aalbestände gestärkt, die Glasaalfischerei ausgehebelt und der Aal auf lange Sicht wieder ein günstiges und vorallem nachhaltiges Nahrungsmittel sein.

Glasaal in der Nahaufnahme
©Wikipedia Glasaale in der Nahaufnahme

Handarbeit macht Aal teuer

Ein weiterer Grund, warum Aal so teuer ist, hat mit dem mühsamen Prozedere zu tun, wie er traditionell gefangen wird. Der Fischer muss harte Handarbeit leisten und hunderte Reusen wöchentlich aus dem Wasser ziehen. Diese stehen an aalverdächtigen Stellen, sind häufig aber nur schwierig zu erreichen. Dafür braucht es geländefähige Fahrzeuge, Boote, Sprit und wohlmöglich helfende Hände, viele Fischer sind ja nicht mehr die jüngsten. Das alles kostet Geld und dann ist noch lange kein Aal in der Reuse*, dafür aber massenhaft Wollhandkrabben oder Signalkrebse.

Fischer auf seinem Boot mit Aalreusen
©olleaugust | Pixbay Aale werden vom Fischer mit Reusen gefangen

Die wenigen Aale die er erwischt hat werden als grüner Aal (günstiger, einfach ausgenommen) oder Räucheraal verkauft. Geräucherte Aale sind mittlerweile eine halbe Rolex und das liegt auch daran, das ihn jemand ausnehmen, mindestens 12 Stunden in eine Salzlake packen und den Räucherofen* mit Späne füttern muss. Das kostet selbstverständlich alles Zeit, Geld, Personal und Rohstoffe. Wird noch ein Zwischenhändler involviert und der Fischer ist nur Fischer, potenziert sich der Aalpreis und wird so teuer, das wir beide mit Brathering besser fahren. Oder Rotauge sexy süßsauer eingelegt. Barsch in Butter. Hecht im Speckmantel. Wir finden Lösungen.

Aal im Räucherofen, der später teuer verkauft wird
©ClickerHappy | Pixabay Räucheraal ist aufwendiges und teures Handwerk

Aal noch zu retten?

In die Zukunft blicken kann niemand, wobei ich eher ein pessimistischer Geselle bin. Denn ein Umdenken in der Gesellschaft passiert oft erst, wenn der Schaden nicht mehr reparabel ist. Wir lieben die Kunst zu zerstören, was wir nicht kontrollieren oder beeinflussen können. Flüsse werden kerzengerade gezogen, mit Aalgulaschwerken zugepflastert, Stauseen integriert, das Wasser durch Schwermetalle verschmutzt, Parasiten eingeschleppt, alles irgendwie kommerziell umgestaltet, weil einjeder sein Häuschen am Uferstreifen will und das kann auf Dauer nicht gut gehen.

Beim Aal gab es in den letzten Jahren zwar durchaus zaghafte Versuche zur Bestandssicherung, allerdings sehe ich darin mehr politische Briefkopfaktionen und weniger echten Enthusiasmus. Die milliardenschwere Fischereiindustrie will auch nicht so wirklich verzichten und sorgt im Hintergrund nach wie vor für extrem aufgeweichte Schutzmaßnahmen. Denn aufgrund halbgarer Schonzeiten, Fangquoten und Entnahmeregulierungen ist das Glasaalaufkommen als maßgeblicher Bestandsindikator an den Flussmündungen weiterhin gesunken. Um das mal zu verdeutlichen: an der Nordsee sind 2023 nur noch 0,4% Glasaale im Vergleich zu 1979 (das wären die 100%) eingekehrt. Das ist ein Rückgang von 99,6%. Noch fragen, warum Aal so teuer ist? Es gibt ihn bald nicht mehr und das kann ich ohne Studium und Gutachten ganz locker Weissagen.

Herzlichst, dein 16er-Haken

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    Christoph Heers
    Christoph Heers
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